Zwischenbericht
Während ich dies schreibe befinde ich mich auf der Reise zurück nach München und nutze die Zeit am Flughafen und im Flugzeug, um die letzen Monate noch einmal in Ruhe revuepassieren zu lassen.
Ich habe eine Menge erlebt!
Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie ich das letzte mal an diesem Flughafen war. Das war im August. Es regnete. Alles war grau und kalt. Ich kannte niemanden hier; ich war komplett auf mich allein gestellt. Ich war skeptisch ob es mir gefallen würde und zweifelte sogar kurz, ob ich es mehrere Monate hier aushalten würde.
Neue Leute zu treffen geht schnell. Bereits am nächsten Tag war ich bei schönstem Wetter mit einigen anderen Austauschstudenten auf einer ausgedehnten Wanderung in der Bymarka unterwegs. Es ist interessant zu beobachten, dass ich die meisten Leute, mit denen ich dann im Laufe des Semesters viel gemeinsam unternommen haben bereits von dieser Wanderung kenne. Irgenwie scheint man an den Leuten hängen zu bleiben, die man als erstes trifft. Weitere Studenten lernte ich während der Orientierungswoche kennen. Mit der Zeit ließ dann die “Everybody wants to get to know everybody”-Stimmung nach und die übliche Bildung von Cliquen begann.
Die Orientierungswoche wurde gefolgt von Vorlesungen und Seminaren (eher wenig) und Wanderungen oder andere verrückte Aktionen (eher mehr). Wir haben den Snøhetta bei Nacht erklommen. Wir haben den Storsylen im Nebel und bei Orkanböen überquert. Wir haben auf einer Skisprungschanze biwakiert. Wir waren im Dezember Eisbaden im Fjord. Dies sind Momente, an die ich mich wohl immer erinnern werde. Dazu kommen gemütliche Nachmittage, Abende und Nächte in Moholt. Die größzügigen Gemeinshaftsräume und die kurzen Wege im Wohnheim waren dafür sehr entgegenkommend.
Viel zu schnell kam der Dezember und die Zeit des Abschieds näher. Meinen ursprünglichen Plan im Winter ein Praktikum zu machen, gab ich auf und beschloss stattdessen meine Bachelorarbeit in Trondheim zu schreiben. Die Verlängerung war zwar kurzfristig organisiert, ließ sich aber relativ problemlos durchführen.
Auch wenn ich zurückkommen werde – viele der Austauschstudenten blieben nur ein Semester in Trondheim. Es ist komisch, sich von Leuten zu verabschieden, mit denen man viel unternommen hat, die ich möglicherweise sogar als gute Freunde bezeichnen würde, aber von denen ich die meisten wahrscheinlich nie wieder sehen werde.
Ich habe einen Teil von Norwegen gesehen.
Rund um Trondheim bin ich ganz schön herumgekommen. Ich war auf fünf der NTNUI-cabins, vier DNT cabins und auf vielen Touren in der Bymarka und Estensdadsmarka. Ich war in drei verschiedenen Nationalparks beim Wandern: Trollheimen, Rondane und Dovrejell.
In den Norden habe ich es immerhin bis auf die Lofoten geschafft und dort einige unvergessliche Tage verbracht. Tromsø steht jetzt im Januar an.
Was mir noch fehlt sind die Fjord-Regionen im Süden. Und natürlich unzählig viele andere Gebiete die es noch zu entdecken gibt.
Ganz werde ich Norwegen wohl nie abhaken können, aber das ist ja ein altbekanntes Problem, dass die To-Do-Liste immer länger wird, je mehr man reist.
Ich habe eine Menge gelernt!
Ich habe gelernt wie man Bier braucht und Bircher Müsli zubereitet. Ich habe gelernt Jass zu spielen, den Refrain von “Titelgschicht” zu grölen und dass Engadiner Nusstorte einfach geil ist. Ich habe gelernt Cabin-Trips zu organisieren, aber wohl immer noch nicht, die Marschzeiten richtig einzuschätzen. Ich habe gelernt, dass Wanderwege immer im Sumpf verlaufen; wenn nicht, dann ist man falsch. Ich habe gelernt einen Trucker’s Hitch zu knoten und dass Cabins nicht nur Hütten, sondern eine Lebenseinstellung sind. Ich habe gelernt, dass Norwegen ein gefährlicher Ort für elektronische Geräte ist und (als direkte Folge) dass ich eigentlich kein Smartphone brauche. Ich habe gelernt wie man Quidditch spielt. Ich habe gelernt zu Fotografieren, aber auch, dass der Moment wichtiger ist, als das Foto.
Das Wichtigste ist aber wohl die Erasmus-Botschaft: Wir kommen zwar aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Kulturen, aber wir sind vor allem eines: Europäer. Wir müssen das obsolete nationale Denken ablegen und zusammenarbeiten!
blog comments powered by Disqus