02 November 2014

Irgendwann im September stattete ich der Bananen Bar einen Besuch ab, um mir die NTNUI Orientering Teamwear zu holen (genau, unter anderem auch diese fancy grün-gelbe Windjacke auf dem Foto). Die Bananen Bar ist eine von zehn O-Kjøkken (OL-Küchen). Das sind WGs im Studentenwohnheim in Moholt, in denen ausschließlich Orientierungsläufer wohnen und sind alle mehr oder weniger kreativ ausgestattet.

Die Bananen-Bar ist berümt-berüchtigt. Große OL-Parties werden dort gefeiert, bei denen Stühle aus dem Fenster fliegen. Statt eines Tisches und Stühlen gibt es dort nur noch eine Sitzecke.An der Wand wurde eine Bar eingebaut, an der nebst allerlei Spirtuosen selbstvergorener Wein ausgeschenkt wird.

Kaum eingetreten, bekam ich schon den Spitznamen “Jochen zwei” verpasst. Jochen (eins) war ein ehemaliger Austauschstudent aus Deutschland, der ebenfalls NTNUI Orientering beigetreten war. Ich solle seine Nachfolge übernehmen. Von Jochen könne man lernen, wie man richtig feiert.

Die Diskussion wandte sich wieder dem Orientierungslauf zu. Warum ich denn nicht bei Hu&Hei mitgelaufen sei.

  • “Hmm, I don’t know. But what about NSM? I could participate there!”
  • “Oh, NSM! That’s more about drinking!”

Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage sollte ich zwei Monate später herausfinden.

Etwa eine viertel Stunde später verließ ich die Bananen Bar (dank des Verkaufstalents des “Gear Guys”) bis zu den Socken mit NTNUI-Kleidung ausgestattet. Die Rechnung für die Kleidung wurde mir im Übrigen auf einem Teebeutel ausgestellt.

Der Wettkampf

NSM ist die (inoffizielle) nordische Studentenmeisterschaft im Orientierungslauf. Dieses Jahr hatte der NTNUI die große Ehre dieses Event in Trondheim auszurichten.

Vergangenes Wochenende war es dann soweit. Der Auftakt der Veranstaltung begann mit einem Nachtsprint in Trondheim. Das läuft in etwa so ab: Eine Meute Läufer rüstet sich mit Strinlampen der Superklasse aus, bekommt eine Karte in die Hand gedrückt und rennt durch die dank 3400 Lumen auf dem Kopf nicht mehr ganz so dunkle Stadt.

Zusammen mit einem anderen Austauschstudenten, den ich überzeugt hatte mitzulaufen wartete ich der Kälte auf den Start. Wir waren uns einig: “We are a bunch of idiots!”. Wir hatten nur Stirnlampen, die definitiv nicht der Spitzenklasse angehören. Zudem hatte ich null Erfahrung in Wettkämpfen dieser Art und wir hatten herausgefunden, dass manche der Teilnehmer schon Weltmeistersiege errungen hatten.

Einmal mit dem Laufen angefangen, hatten wir dann doch unseren Spaß und nach ein paar anfänglichen Navigationsproblemen fand ich alle Controls ohne größere Schwierigkeiten. Nach dem Rennen trafen sich alle Läufer zur Halloweenparty im Stundentersamfundet.

Am nächsten Tag, Samstag, stand der Langdistanzlauf auf dem Programm. Der Wettkampf fand etwas außerhalb von Trondheim statt. 11,6 km Luftline zwischen den Controls ging es durch Wald und Sumpf. Nach etwa einer Stunde Laufen erreichte ich ziemlich erschöpft die “Arena” (auch “Drinking Control” genannt). Anstatt einem Verpflegungszelt oder dergleichen nahm ich nur eine Menge Lärm und viele Leute wahr. Ich wollte mich gerade auf den Weg in Richtung des nächsten Postens machen, als ich meine Freunde aus der Bananen-Bar wiedererkannte.

  • “Hey, Jochen zwei!”

Die beiden hatten eine Flasche in der Hand. Ich ahnte Schlimmes.

  • “You have to empty that!”
  • “But…”
  • “You won’t win the prize money anyway! So you can drink!”

Das war wohl nicht ganz falsch. Tapfer nahm ich einige Schlucke. Hätte ich auch nur etwas mehr genommen, wäre ich wohl (wie so manch anderer) auf der Stelle dort liegen geblieben. Leicht benommen warf ich einen Blick auf die Karte und peilte den nächsten Posten an. Die zweite Hälfte des Rennens hatte ich noch vor mir.

Nach weiteren eineinhalb Stunden erreichte ich das Ziel und war wieder in der “Arena”.

  • “Hey, Jochen zwei!”

Diesmal kam ein Bananenbar-Bewohner mit einem Plastikkanister selbstvergorenem Wein.

  • “Open your mouth!”
  • “But…”
  • “You completed your first Orientering-Race! You have to party!”

Wiederwillig ließ ich mir einige Schlucke einflößen. Wasser wäre mir erst mal lieber gewesen.

Erst jetzt hatte ich Zeit das ganze Chaos wahrzunehmen. Die Arena war nichts anderes als ein bewaldeter Hügel. Irgendwo brannte ein großes Feuer. Ab und zu meinten Leute sie müssten mitten hindurch springen. Auf dem Waldboden verteilt lagen unzählige Flaschen und Dosen. Dazwischen wohl so an die 100 eher mehr als weniger besoffene Norweger (und nein, das ist nicht doppelt gezählt).

Als sich der Nachmittag dem Ende zuneigte wurde die Meute mit Shuttlebussen zurück nach Trondheim befördert. Später abends fand ein Bankett mit Preisverleihung statt. Erstaunlicherweise hatten die meisten es doch noch dorthin geschafft. Allerdings wurden die ersten noch vor dem Essen von der Security des Hauses verwiesen.

Nach einem ordentlichen Essen folgte die Preisverleihung. Nach Feierlicher Übergabe der Medallien und Schecks, wurden die Weltklasse Läufer (und Läuferinnen) dazu aufgefordert, ihre Hose auszuziehen. Die meisten ließen sich es nicht nehmen, dem Wunsch des Publikums zu folgen.

Am Sonntag wurder der Wettkampf mit einer Staffel abgeschlossen. Bemerkenswert war hier ein Team aus drei Franzosen. Nachdem der Wettkampf schon seit einer geraumen Zeit beendet war (das Ziel-Zelt wurde bereits abgebaut) war der dritter Läufer der Gruppe noch immer irgendwo unterwegs. Wir unterhielten uns mit dem Rest der Gruppe. Einer von ihnen stellte fest:

  • “Oh, I should have taken the controls in the right order? I didn’t know that!”
  • “What about your third man?”
  • “We don’t know. Probably he’s lost…”

Ob der arme Kerl immer noch durch Trondheim irrt? – Ich weiß es nicht.



blog comments powered by Disqus